Die Ederauen zwischen Bergheim und Wega sind wohl das bekannteste Edertaler Naturschutzgebiet und eines der bedeutendsten im Kreis Waldeck-Frankenberg. Es umfasst einen Flussabschnitt von sieben Kilometern mit angrenzenden Uferbereichen.
Die Veränderungen dieser Auenlandschaft sind seit rund siebzig Jahren sehr gut
dokumentiert. Schon1953 veröffentlichte Eduard Schoof (1907-1980) den Aufsatz "Die Vögel der Ederauen und die Auswirkungen ökologischer Veränderungen auf die Vogelwelt". Darin ging es um die
Folgen der Flutkatastrophe durch die Bombardierung der Edersee-Sperrmauer im Mai 1943 für Flora und Fauna. In diesem Aufsatz schrieb Schoof: "Ich kenne keinen Mittelgebirgsfluss, der sich ein so
urtümliches Gepräge bewahrt hat, wie es die Eder streckenweise getan hat trotz aller Regulierungen und Begradigungen (...)."
Obwohl die Ederauen zwischen Affoldern und der Kreisgrenze bei Mandern 1965 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden waren, kam es 1970 bei Anraff zu einer erneuten Regulierung der Eder. Das
erste "Europäische Naturschutzjahr" 1970 nutzten Eduard Schoof und Otto Hopff als damaliger Kreisnaturschutzbeauftragter für eine Initiative zur Ausweisung der Ederauen als
Naturschutzgebiet (NSG). Daraufhin stellte die Staatliche Vogelschutzwarte in Frankfurt einen entsprechenden Antrag für die Eder von Affoldern bis Fritzlar. Dieser wurde jedoch von dem
Regierungspräsidium Kassel abgelehnt mit der Begründung, es müssten noch einige Begradigungsmaßnahmen an dem Fluss durchgeführt werden. So entstand die Idee, wenigstens für die Kernzonen elf
kleine Naturschutzgebiete auszuweisen, aber eine solche Aufsplitterung hätte das Schutzziel für die Flussaue insgesamt in Frage gestellt. Es dauerte noch bis zum Jahr 1977, als zwei größere
Teilbereiche unter Schutz gestellt wurden: Die NSG "Ederauen zwischen Bergheim und Wega" und "Unter der Haardt".
Heute gehört die der gesamte Ederabschnitt zwischen Affoldern und der Kreisgrenze zu dem kreisübergreifenden FFH-Gebiet "Untere Eder".
Die Eder war zwar mit der Gewässergüteklasse II bereits ein bemerkenswert sauberer Fluss, aber auch im Bereich des NSG "Ederauen zwischen Bergheim und Wega" wies er streckenweise eine niedrige
Strukturgüte auf. Abhilfe erfolgte durch die Renaturierungsmaßnahmen, die 2013 und 2015 im Bereich der Gemeinde Edertal realisiert werden konnten. Flussaufweitungen sowie Nebengerinne entstanden
und es wurde Kies als notwendiges Geschiebe in die Eder eingebracht. Ihre gute Wasserqualität zeigt sich an dem reichen Vorkommen des Flutenden Hahnenfußes (siehe Beitrag "Die Eder blüht!"). Die
Renaturierungsmaßnahmen haben sich positiv auf den Fischbestand ausgewirkt (siehe Beitrag "Petri Heil an der Eder"). Fischereibiologisch gehört die untere Eder zur Äschenregion, da aus der Tiefe
des Edersees kaltes und damit sauerstoffreiches Wasser abgelassen wird. Aktuell sind in der Eder 17 Fischarten nachgewiesen. Von der Renaturierung profitieren aber auch viele andere Tierarten,
insbesondere Wasservögel. Der Biber wäre aufgrund seiner Ausbreitungstendenz auch so zu erwarten gewesen, aber die Renaturierung hat die Lebensbedingungen für ihn deutlich verbessert. Das gilt
perspektivisch auch für die erhoffte Rückkehr des Fischotters.
In der Weichholzaue der Eder hat sich nach der Sperrmauerkatastrophe mit voranschreitender Gehölz-Sukzession ein nordhessenweit herausragender Nachtigallenbestand entwickelt. Die Weichholzauen
bieten auch dem Kleinspecht und dem Gelbspötter Brutmöglichkeiten. In einigen Bereichen brüten Vertreter halboffener Landschaften wie Neuntöter und Dorngrasmücke. In den Staudenfluren ist der
Feldschwirl anzutreffen. Der immer seltener werdende Kuckuck hat kreisweit im unteren Edertal einen Verbreitungsschwerpunkt. Deutlich zugenommen hat in den letzten Jahren der Grünspecht. Eine
herausragende Bedeutung hat die Eder für überwinternde Schwimmvögel wie Gänsesäger, Zwergtaucher und Höckerschwäne, aber auch für Grau- und Silberreiher. Das Ufergehölz ist Überwinterungsplatz
für viele Kleinvögel, zum Beispiel Kleiber, Zaunkönig , Rotkehlchen und die Meisenarten (siehe Beitrag "Wintervogelzählung an der Eder").
Im NSG kommen alle heimischen Reptilienarten vor (siehe Beitrag "Alle heimischen Reptilienarten leben in Edertal"). Die Amphibien sind durch Erdkröten, Grünfrösche sowie Teich-, Faden- und
Bergmolch vertreten. Der Laubfrosch ist nur noch in Nachbarschaft zum NSG, dem Kiesgrubengebiet zwischen Mehlen und Giflitz, anzutreffen. Fraglich ist, ob der Grasfrosch noch vorkommt.
Aus der Libellenfauna sind die Gebänderte Prachtlibelle und die Kleine Zangenlibelle besonders erwähnenswert. Beachtliche 128 Schmetterlingsarten wurden bisher dokumentiert, darunter der
europaweitgeschützte Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Bei einigen Arten weist bereits der deutsche Name auf Nahrungspflanzen ihrer Raupen hin, die für die Ederauen charakteristisch sind wie
Beifuß-Blütenwickler, Natternkopfzünzler, Traubenkirschenspanner oder Malven-Dickkopffalter.
In der Pflanzenwelt des Gebietes sind die Besiedler von Kiesschotterböden typisch, zum Beispiel Großblütige Königskerze, Schwarze Königskerze, Gelber Wau, Gewöhnlicher Natternkopf oder
Seifenkraut (siehe Beitrag "Kiesschotter-Flora"). Pestwurzfluren finden sich in den Auwäldern und in feuchten Mulden. Eine Charakterpflanze der Auwälder ist auch der Gewöhnliche Hopfen.
Wolfgang Lübcke