Im schönen Wesetal

Idylle am Südost-Rand des Nationalparks Kellerwald-Edersee

Die Wese an der Grundmühle bei Giflitz. Der Erlen-Galeriewald bildet den       charakteristischen Uferbewuchs. (Foto: Wolfgang Lübcke)
Die Wese an der Grundmühle bei Giflitz. Der Erlen-Galeriewald bildet den charakteristischen Uferbewuchs. (Foto: Wolfgang Lübcke)

Der Edertaler Luftkurort Kleinern wirbt mit seiner Lage im schönen Wesetal. Zu Recht, denn das Wiesental am Südost-Rand des Nationalparks Kellerwald-Edersee gehört zu den besonders idyllischen Tälern des Kreises Waldeck-Frankenberg.

Wenn man durch das Wesetal von Giflitz über Kleinern nach Gellershausen wandert und sich an der Landschaft erfreut, mag man nicht daran denken, dass durch dieses reizvolle Tal in den 1930er Jahren die Trasse für eine Ost-West-Autobahn geplant war, die sogar schon vermessen wurde.

 

Es ist aber nicht nur die Ästhetik der Landschaft, die den Wert des Wesetals ausmacht, sondern auch seine Naturausstattung. Der Wesebach mit angrenzenden Uferstreifen ist zwischen Gellershausen und Giflitz als sogenanntes FFH-Gebiet ausgewiesen. Das ist ein europäisches Schutzgebiet für Pflanzen (Flora), Tiere (Fauna) und deren Lebensräume (Habitate).

Der Wesebach (kurz die Wese) besitzt eine sehr gute Wasserqualität, aber die Gewässerstruktur bedarf Verbesserungen. Die Strukturgüte zeigt an, inwieweit ein Bach oder Fluss in der Lage ist, sein Bett auf natürliche Weise zu entwickeln. Ähnlich wie an der Eder, wenn auch in viel bescheideneren Dimensionen, ist deshalb eine naturnahe Umgestaltung der Wese vorgesehen. Die Plangenehmigung wurde im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 8. Februar 2021 erteilt.


Die Renaturierung hat vor allem zwei Ziele:

  • Die Schaffung von Uferzonen zu den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen, um Raum zur eigendynamischen Entwicklung des Baches zu geben.
  • Die Durchgängigkeit des Gewässers herzustellen, indem nicht mehr benötigte  Querbauwerke an ehemaligen Mühlbach-Abzweigungen beseitigt werden, um den Fischen wieder Wanderungen zu ermöglichen.
Balzendes Wasseramsel-Pärchen (Foto: Gerhard Kalden)
Balzendes Wasseramsel-Pärchen (Foto: Gerhard Kalden)

Charakterart der Wese, die fischereibiologisch zur Forellenregion gehört, ist die Bachforelle. Sie besiedelt schnell fließende, sauerstoffreiche Gewässer mit Kies- oder Sandgrund. Eine seltene Begleitfischart ist die Groppe oder Mühlkoppe. Sie ist ein nachtaktiver Grundfisch mit urigem Aussehen. Durch Elektrobefischung konnte ein fortpflanzungsfähiger Bestand dieser Fischart mit europäischem Schutzstatus nur oberhalb von Gellershausen festgestellt werden. Verbreiteter, aber nicht häufig ist das Bachneunauge, das zur Tiergruppe der Rundmäuler gehört. Laichgruppen, wo die aalförmigen Tiere ihre Eier ablegen, wurden in sandigen Bereichen der besonders naturnahen Wesemündung gefunden.

Ein charakteristischer Vogel des Baches ist die Wasseramsel, leicht zu erkennen an ihrem weißen Brustlatz. An der Wese hat der Biologe Michael Wimbauer im Rahmen seiner wissenschaftlichen Vogelberingung 2020 sieben Brutpaare festgestellt. Die Wasseramseln brüten in Nistkästen unter den Wese-Brücken, die der NABU Edertal dort angebracht hat und betreut. Diese nutzen auch Gebirgsstelzen, zu erkennen an ihrem grauen Rücken und gelber Unterseite. Auch eine Eisvogelbrut ist an der Wese bekannt. Dieser schöne Vogel benötigt lehmige Steilwände des Baches, in die er seine Brutröhren graben kann. Er profitiert also auch von einer naturnahen Bachstruktur.

Eisvogel-Weibchen (Foto: Manfred Delpho)
Eisvogel-Weibchen (Foto: Manfred Delpho)
Die Wese ist ein 25 km Zufluss der Eder. Die Quelle befindet sich an der Kleinen Aschkoppe bei Löhlbach im Kellerwald. Bei Giflitz mündet die Wese in die Eder. Der Name des Baches ist von dem althochdeutschen Wort "wisa"  abzuleiten. Das bedeutet Wiese oder feuchtes Land, also sehr passend für das Tal.

Wolfgang Lübcke