Das 42 Hektar große Naturschutzgebiet setzt sich im Wesentlichen aus drei Teilflächen zusammen, die alle den selben Gesteinsuntergrund aufweisen: Der größte Komplex besteht aus dem linksseitigen Hang des Netzetals zwischen der Siedlung Lieschensruh und Buhlen mit Gemeindsgraben und unterem Bereich des Eschgrabens, sowie dem Franzosenrain zwischen der ehemaligen Eisenbahnbrücke und Lieschensruh und der Zechsteinwand zwischen Affoldern und Lieschensruh.
Die Zechsteinwand (in Affoldern einfach nur "Stein" genannt) ist der markanteste geologische Aufschluss in Edertal. Die Wand dürfte über einen langen Zeitraum hinweg als Prallhang der früher
mäandernden, sich also in großen Schleifen durch das Tal windenden Eder entstanden sein. Das jetzige Bild wurde jedoch auch durch die Jahrhunderte währende Nutzung als Steinbruch geprägt. Das
etwa 250 Millionen alte Kalkgestein wurde unter anderem für den Bau der Kirche von Affoldern genutzt.
Von dem Grafen Georg von Waldeck zu Bergheim (1870 - 1966) wissen wir, dass in der Felswand bis 1910 regelmäßig der Uhu gebrütet hat. Die Großeule war für einige Jahrzehnte im Kreisgebiet
ausgestorben. Interessant ist nun, dass einige verschwundene Großvogelarten wie Schwarzstorch und Uhu sich dort zuerst wieder ansiedelten, wo es historische Brutplätze gab. So brütet seit einigen
Jahren wieder ein Uhu-Paar in der Zechsteinwand am Rand des Edertals.
Eine botanische Besonderheit ist der gelb blühende Färberwaid, ebenso wie Raps ein Kreuzblütler, dem er im Aussehen ähnelt. Im Mittelalter wurde diese Wärme und kalkhaltigen Boden liebende Pflanze in großem Umfang im Raum Fritzlar angebaut. Aus ihr wurde der Farbstoff für die Blaufärbung von Textilien gewonnen. Als kulturhistorisches Relikt hat der Färberwaid an den Zechsteinfelsen bei Lieschensruh sein einziges Vorkommen im Landkreis Waldeck-Frankenberg.
Der Bereich Netzehang bis Eschgraben verdankt seine Schutzwürdigkeit vor allem dem Kalkmagerrasen auf Zechstein, der reich an Orchideen ist, sieben Arten wurden hier festgestellt. Am häufigsten und aus pflanzengeografischer Sicht bemerkenswert ist das Dreizähnige Knabenkrau, so genannt nach seiner Blütenform. Die mediterrane Art besitzt in Mitteleuropa nur ein kleines, isoliertes Teilareal in Nordhessen, Ostwestfalen, Südniedersachsen und Westthüringen. In dem Edertaler Naturschutzgebiet hat diese Orchidee ihr größtes Vorkommen in Waldeck-Frankenberg. In günstigen Jahren können hier mehrere tausend Exemplare blühen. Wichtig für den Erhalt der Orchideen ist die extensive Beweidung, die Schäfer Georg Schutte aus Frankenau mit seinen Heidschnucken im Auftrag der Oberen Naturschutzbehörde leistet.
Spiegelbild der reichen Pflanzenwelt des Naturschutzgebietes ist die vielfältige Insektenwelt mit 244 Schmetterlingsarten, 70 Käferarten und elf Heuschreckenarten.
Wechselnde Blühaspekte im Jahreslauf
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Wolfgang Lübcke