Wir beobachten Vögel am Hessischen Futterhaus im Freilandlabor

Hessisches Futterhaus im Freilandlabor Bergheim (Foto: Wolfgang Lübcke)
Hessisches Futterhaus im Freilandlabor Bergheim (Foto: Wolfgang Lübcke)

Eine besonders gute Möglichkeit, Vögel zu beobachten, bietet das Hessische Futterhaus. Ein solches Modell steht im Freilandlabor des NABU Edertal, das mit seinen vielfältigen Lebensräumen auch ein außerschulischer Lernort ist. Die Anlage befindet sich unterhalb der Bergheimer Edermühle, nur wenige Minuten vom Edertaler Schulzentrum entfernt. Hier finden die Vögel ganzjährig Futter.

Das Hessische Futterhaus hat drei Etagen. Die bodennahe untere Etage wird vor allem von Vogelarten aufgesucht, die sich nicht in ein weitgehend geschlossenes Futterhaus trauen, insbesondere die sogenannten Weichfresser, die gern Fettfutter annehmen wie zum Beispiel Rotkehlchen, Amseln, Stare oder Spechte. Fettfutter besteht aus Haferflocken, die mit Rindertalg angereichert sind.

In der Nacht hat es geschneit. Wir nehmen uns eine halbe Stunde Zeit, um aus einer nicht störenden Entfernung mit dem Fernglas die Vögel am Hessischen Futterhaus zu beobachten. Welche Arten sind vertreten?  Wie kann man bei manchen Arten die Geschlechter unterscheiden? Wie verhalten sich die Vögel an der Fütterung?  Welches angebotene Futter fressen die verschiedenen Arten? Viele Fragen!

Dompfaff (Gimpel)-Männchen (Foto: Dieter Bark)
Dompfaff (Gimpel)-Männchen (Foto: Dieter Bark)

Als erstes identifizieren wir verschiedene Meisenarten: Kohlmeise, Blaumeise und Sumpfmeise. Während bei Blau- und Sumpfmeise die Geschlechter nicht zu unterscheiden sind, ist das bei der Kohlmeise gut möglich: Die Männchen haben einen deutlich breiteren schwarzen Streifen als die Weibchen, der sich über Brust und Bauch hin zieht. Die Sumpfmeise ist leicht mit ihrer Geschwisterart, der Weidenmeise, zu verwechseln, aber die lässt sich kaum am Futterhaus blicken.


Im Sommer ernähren sich die Meisen überwiegend von Insekten, aber jetzt im Winter nehmen sie gern die Sonnenblumenkerne an. Zu den Körnerfressern gehören Buch- und Grünfink, die Haussperlinge, der Gimpel und der Kernbeißer. Die Sperlinge bilden mit mindesten 23 Vögeln die größte Fraktion, aber sie lassen sich schlecht zählen, kaum haben sie einen paar Nahrungsbrocken erhascht, verschwinden sie schlagartig - ohne erkennbare Ursache - im Gebüsch des Nachbargartens, wo sich noch einige Artgenossen aufhalten. Die zweitgrößte Besuchergruppe der Fütterung sind die Goldammern, mindestens acht Exemplare. Die Männchen sind an der intensiveren Gelbfärbung zu erkennen.

Kernbeißer (Foto: Dieter Bark)
Kernbeißer (Foto: Dieter Bark)

Plötzlich taucht ein Buntspecht auf. An dem roten Nackenfleck ist er als Männchen zu identifizieren. Er fliegt zunächst in das Futterhaus und dann an einen der beiden Gittersilos, wo er schaukelnd an den Meisenknödeln pickt. Und da noch ein etwas kleinerer Specht mit roter Kopfplatte. Es ist ein Mittelspecht. Eigentlich ist er ein Waldbewohner, wo er bevorzugt an alten Eichen anzutreffen ist, aus deren rauer Rinder er als sogenannter Suchspecht Insekten pickt. Die alten Weiden in der Ederaue sind für ihn auch zur Nahrungssuche geeignet. Er nimmt im Winter aber auch gern Fettfutter an.

Insgesamt zählen wir heute am Hessischen Futterhaus 19 Vogelarten mit 60 Individuen. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass viele von ihnen einen Aluminiumring tragen. Der Biologe Michael Wimbauer aus Hundsdorf  hat sie im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts am Hessischen Futterhaus mit Hilfe von kaum sichtbaren Japannetzen gefangen und mit Ringen der Vogelwarte Helgoland individuell gekennzeichnet. Im Winter 2019/20 hat er an der Fütterung im Freilandlabor insgesamt 273 Vögel beringt, u. a. 120 Blaumeisen, 62 Kohlmeisen und 18 Amseln. Seit 2012 hat er 30 Arten als Besucher der Fütterung gefangen.

Spannende Ringfunde erhellen das Leben der Vögel


Etliche Ringfunde der am Hessischen Futterhaus gefangenen Vögel geben Aufschluss über deren "Biografie". Zum Beispiel beringte Michael Wimbauer hier am 1.8.2019 eine diesjährige Blaumeise, die vermutlich in einem der Nistkästen des Freilandlabors erbrütet wurde. Dieser Vogel konnte am 24.11.2019 in Belgien kontrolliert werden, 340 km entfernt.

 

Der Ringfund beweist, dass unsere heimischen Blaumeisen zum Teil im Winter wegziehen. Eine andere Junge Blaumeise wurde ebenfalls in Belgien am 4.11.2015 beringt. Diesen Vogel konnte Wimbauer in den beiden darauf folgenden Wintern gleich zweimal kontrollieren. Demnach kann das Zugverhalten in verschiedenen Jahren variieren.


Bei den Meisen, die wir im Winter am Futterhaus beobachten, muss es sich keineswegs nur um heimische Vögel handeln. So hat zum Beispiel die Beringung von Kohlmeisen ergeben, dass im Winter Individuen aus Ost- und Nordeuropa zu uns kommen.

Wolfgang Lübcke